Sie kennen vielleicht das Gefühl nach einem Glas Rotwein: es wird heiß, die Nase ist verstopft, Sodbrennen. Darüber macht man sich eigentlich keine weiteren Gedanken, solange es nicht stört. Aber was steckt hinter dieser Reaktion? Wir fangen mal am Anfang an...
Für mich ist die Bezeichnung Histaminintoleranz etwas unglücklich gewählt wenn man bedenkt, was eigentlich dahinter steckt, daher verwende ich in diesem Blog die Bezeichnung Histaminose statt Histaminintoleranz.
Die Histaminose ist einfach nur ein Ungleichgewicht zwischen anfallendem Histamin und dem, was der Körper durch seine Histamin-abbauenden Enzyme DAO und HNMT (Histamin-N-Methyl-Transferase) wieder los werden kann.
Histaminquellen
Das Histamin kommt nicht nur aus der Nahrung! Natürlich gibt es zahlreiche Lebensmittel und Getränke, die Histamin enthalten oder unsere Histamin-abbauenden Enzyme hemmen, so dass höhere Histaminspiegel im Körper entstehen. Trotzdem höre ich von vielen meiner Patient*Innen häufig eine ähnliche Geschichte: heute esse ich z.B. eine Pizza und es ist alles gut - morgen esse ich um dieselbe Uhrzeit dieselbe Pizza und es geht mir schlecht. Wie kann das zusammenhängen? Die Antwort heißt endogenes, also vom Körper selbst hergestelltes Histamin.
Histamin ist im Körper ein Botenstoff, der in verschiedenen Situationen freigesetzt wird: psychischer Stress, körperliche Arbeit (Training), Entzündungen, Infektionen.
(der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Inhalation z.B. von Hausstaubmilbenkot ebenso Histaminspiegel im Körper erhöhen kann)
Was für einen Sinn macht das bitte?
Wenn wir uns überlegen, wie unser Körper gebaut ist, so ist die Ausschüttung von Histamin durchaus sinnvoll in Stresssituationen. Unser Körper möchte uns in stressigen Zeiten vor allem vor noch mehr Stress, nämlich Infektionen schützen. Und hier kommen die Histaminrezeptoren ins Spiel:
Histaminrezeptoren
Es gibt 4 Histaminrezeptoren im Körper, die durchnummeriert sind: H1, H2, H3, H4.
Die Rezeptoren finden sind in unterschiedlichen Organen und haben daher auch unterschiedliche Effekte.
H1 Rezeptoren
Kontraktion des Darms, Veränderung der Gefäßweite, Verengung der Bronchien, Ausschüttung von Adrenalin, erhöht Durchlässigkeit von Blutgefäßen, Erbrechen (über die sog. Area postrema im Gehirn), Weckreaktion
H2 Rezeptoren
Steigerung der Magensäuresekretion, Steigerung der Herzfrequenz und der Kontraktilität des Herzens, Erweiterung der Gefäße
H3 Rezeptoren
Hemmung der Histaminfreisetzung im Gehirn (negativer Feedback Mechanismus), Hemmung anderer Botenstoffe wie z.B. Somatostatin im Magen
H4 Rezeptoren
wirkt auf die Zellen des Immunsystems und lockt diese an
Durch die verschiedenen Histaminrezeptoren mit Ihren unterschiedlichen Wirkungen lässt sich damit auch die Vielfalt der Symptome einer Histaminose erklären:
H1 Rezeptoren
Durchfall und durch die verminderte Zeit für Nährstoffresorption auch Blähungen, Übelkeit, Erbrechen, Luftnot, Schwellungen, Hautausschläge, Rötungen
H2 Rezeptoren
Herzrasen, Herzklopfen (sog. Palpitationen) - kann Panikattacken immitieren; Sodbrennen, Magenschmerzen, Schwindel, Migräne (durch die erweiterten Gefäße)
Für unseren Körper bedeutet das: durch die erhöhte Magensäure kommen mit der Nahrung keine zusätzlichen potenziellen Krankheitserreger in den Körper, die gesteigerte Darmmotorik (Durchfälle, weicher Stuhl) sorgen dafür, dass potenziell schädliche Erreger in uns schnell nach draußen transportiert werden und der Kreislauf ist mit schnellerer Herzfrequenz und höherem Blutdruck auf alles vorbereitet...
Therapie
Mit dem Wissen, das wir jetzt über die Wirkung der unterschiedlichen Rezeptoren und die Histamin-abbauenden Enzyme haben, können wir unsere Therapiemöglichkeiten ableiten:
Reduktion des im Körper produzierten und freigesetzten Histamins
Hier sind Sie wichtiger als Ihr Arzt! Das Stichwort heißt Stressreduktion. Das bedeutet natürlich nicht, dass Sie Ihr komplettes Leben umkrempeln müssen. Aber es lohnt sich immer, sich einmal seinen Alltag aufmerksam anzuschauen und zu überlegen ob man mit Stressoren anders umgehen kann oder zumindest kleine Erholungspausen im Alltag einbauen kann. Yoga oder Meditation kann zusätzlich helfen.
Das im Körper produzierte Histamin stammt unter anderem aus sog. Mastzellen. Das sind spezielle weiße Blutkörperchen, die sich in praktisch allen Geweben befinden und vollgefüllt sind mit Botenstoffen - einer davon ist Histamin. Wir wissen, dass Zink und hohe Dosen an Vitamin C die Histaminausschüttung aus Mastzellen hemmen können.
Verbesserung der Aktivität der Histamin-abbauenden Enzyme
Hier kommen wieder Supplemente ins Spiel: Vitamin B6 ist ein Coenzym für den Histaminabbau und Glutathion vermindert zusätzlich oxidativen Stress und regenieriert Methylgruppen für die Enzymarbeit.
Sehr gute Erfahrungen habe ich also mit einer Kombination aus Vitamin C, Vitamin B6, Zink und Glutathion gemacht - z.B. von gut decision (disclaimer: habe ich selbst entwickelt)
Hinzufügen zusätzlicher Enzyme
Dies sind ist die bekannteste Methode - es handelt sich um das Histamin-abbauende Enzym DAO, das in Kapselform erhältlich ist und ca. 10-15 min vor der Mahlzeit eingenommen wird.
Histamin-Effekt verhindern
Das können sog. Antihistaminika oder Histaminblocker - also verschreibungspflichtige Medikamente. Es gibt unterschiedliche Blocker für die unterschiedlichen Rezeptoren - Ihr Arzt wird daher Ihren Symptomen entsprechend das für Sie passende Arzneimittel auswählen.
Großartig und verständlich erklärt! Danke.