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AutorenbildCorinna Geiger

Long COVID - so viel mehr als müde

Was genau hinter Long COVID steckt, wissen wir noch nicht wirklich, aber ich würde an dieser Stelle gerne einige Hypothesen genauer erklären und mein Verständnis der Erkrankung und der Therapie zur Verfügung stellen - ich hoffe sehr es hilft Ihnen weiter.


Folgende Theorien bestehen:

  1. Viruspersistenz: es wird also vermutet, dass COVID Viren im Gewebe bestehen bleiben und weiterhin aktiv sind

  2. Gewebeschäden: durch die eigentliche Infektion oder die daraus resultierende Immunantwort sind Gewebe (dauerhaft) geschädigt worden und sind daher nicht mehr in der Lage Ihrer Aufgabe im selben Ausmaß nachzukommen

  3. persistierende "low grade" Inflammation: es werden von unserem Immunsystem weiterhin Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet, obwohl die Infektion bereits vorbei ist

  4. Mikroclotting: Blutgerinnsel "verstopfen" unsere kleinsten Gefäße und ändern so die Mikrodurchblutung in unseren Organen, daher kann therapeutisch versucht werden mit Cerebokan, Thrombo ASS, Clopidogrel und Atorvastatin diese Situation zu verbessern

  5. Autoimmunität: es bilden sich Antikörper gegen körpereigene Strukturen und schränken deren Funktion ein

Meiner Meinung nach ist nicht jedes Long COVID gleich, sondern es bestehen verschiedene Subgruppen, die auch unterschiedliche Symptome haben und unterschiedlich therapiert werden sollten.


Ich habe inzwischen viele PatientInnen mit Long COVID Syndrom gesehen und betreut. Ich spreche nicht von "wir brauchen nach COVID ein paar Wochen länger um uns zu erholen" sondern von Einschränkungen die manchmal direkt nach der Infektion, manchmal auch erst Wochen später beginnen und zu einer dauerhaften Einschränkung der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität führen.

Dabei sind die Symptome vielfältig, was eine genaue Diagnose schwierig macht und voraussetzt, dass viele andere alternative Diagnosen als Ursache ausgeschlossen werden.


Zu den Symptomen gehören:

- Muskel- und Gelenksschmerzen

- Herzrasen

- Kopfschmerzen

- Kribbelgefühle

- Fatigue/Erschöpfung

- Schwindel

- Brain Fog / Konzentrationsstörungen

- Grippegefühl

- Luftnot oder reduzierte Belastbarkeit

- Brustschmerzen

- Sehstörungen

- Haarausfall

- veränderte Hitze- oder Kältetoleranz

- Schlafstörungen

- Blutdruckschwankungen

- Durchfall oder Verstopfung

- Schlafstörungen


Kreislaufregulationsstörungen

Besonders hervorheben möchte ich die Kreislaufregulationsstörungen - das heißt die Symptome Schwindel, Herzrasen, Blutdruckschwankungen. Sehr häufig entwickeln Patienten nach COVID ein sog. POTS (Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom). Hierbei handelt es sich um eine Kreislaufregulationsstörung, die bei Wechsel der Körperlage (zum Beispiel vom Liegen ins Sitzen) auftritt. Also Ursache können Antikörper gegen Teile des vegetativen Nervensystems gefunden werden, aber auch Entzündungen der kleinen Blutgefäße und dortigen Nervenfasern. Wichtig ist zunächst einmal auszuschließen, dass eine ursächliche Herzerkrankung vorliegt - hier helfen der Herzultraschall (Echokardiographie) und ein Langzeit-EKG oft schon weiter. Häufig vernachlässigt wird die Überprüfung der Kreislaufregulation. Dies kann mit dem sog. Schellong Test oder auch NASA Lean Test erfolgen. Das Protokoll dazu habe ich hier verlinkt:



Zusätzlich sollten im Labor die Elektrolytregulation (inkl. Osmolalität) sowie die Blutdruck-regulierenden Hormone überprüft werden um andere Ursachen auszuschließen.

Sollte dann letztendlich die Diagnose POTS gestellt werden können folgende Therapien versucht werden:

  1. POTS Elektrolytlösung trinken bzw. Salzkonsum auf 8 g tgl. steigern

  2. Kompressionsstrümpfe tragen

  3. Wadenmuskulatur vor Körperlagewechsel aktivieren

Es gibt auch verschiedene medikamentöse Therapieoptionen, die aber unbedingt ärztlich besprochen werden müssen - hierzu zählen: Mestinon, Ivabradin, Clonidin und andere.

Vielen PatientInnen merken eine Besserung der Konzentrationsstörungen, sobald Sie Kompressionsstrümpfe tragen.


Schlafstörungen

.Kommen wir zum Thema Schlafstörungen. Hier erzählen mir viele Patienten vom selben Gefühl: "tired but wired", das ich ansonsten von PatientInnen mit MCAS (Matzellaktivierungssyndrom) oder ME/CFS kenne. Es beschreibt das Gefühl körperlich völlig erschöpft und müde zu sein, aber dennoch wie unter Strom zu stehen, so dass man nicht zur Ruhe kommen kann und damit auch nicht erholsam schläft. Dies mündet oft in einen Teufelskreis: der nicht erholsame Schlaf führt dazu, dass man unerholt aufwacht, der Tag umso anstrengender wird und man am Abend wieder erschöpft aber unter Strom ist... täglich grüßt das Murmeltier. Aus internistischer Sicht kann dem eine Dysbalance im Stresshormonhaushalt und Neurotransmitterhaushalt zugrunde liegen. Eigentlich sollten unsere Stresshormonspiegel (im Speziellen das Cortisol) in der Früh sehr hoch sein, damit wir gut und mit Energie aus dem Bett kommen und gegen Abend immer weiter abfallen um einen erholsamen Schlaf zu gewährleisten. Dieser Tagesrhythmus kann durcheinander kommen und dann ist es morgens zu wenig Cortisol um aus dem Bett zu kommen und abends zu viel um einzuschlafen. Ein Cortisol Tagesprofil im Labor hilft das herauszufinden. Zusätzlich haben einige Studien einen positiven Nutzen verschiedener Nahrungsergänzungsmittel in bestimmten Dosierungen gezeigt, die unseren Stresshormonhaushalt regulieren sollen und im Speziellen am Abend zu weniger Cortison, mehr Dopamin und Serotonin führen und Entspannung fördern sollen. Eine gute Kombination ist Ashwaganda, Phosphatidylserin, Magnesium, GABA und Melatonin:


Grippegefühl

Wenn wir uns weiterhin fühlen als hätten wir eine Infektion, obwohl nachweislich kein Virus mehr aktiv ist, kann das zum Beispiel daran liegen, dass weiterhin Entzündungsbotenstoffe im Körper ausgeschüttet werden, obwohl das eigentlich nicht mehr notwendig wäre.

Daher ist es hilfreich im Labor zu testen, ob einerseits Immundefekte (Immunglobulinmangel, T-Zell Mangel, MBL Mangel) bestehen oder bestimmte Entzündungsbotenstoffe noch erhöht sind. Oft findet man dabei nichts. Auch in Frage kommt eine Mastzellaktivierung, die ich hier genauer erkläre und die für viele Symptome verantwortlich sein kann:

Zur Therapie können pflanzliche Mastzellstabilisatoren wie Quercetin, Rutin, Luteolin, Genistein eingesetzt werden. Auch einige medikamentöse Therapieoptionen stehen zur Verfügung: Cromoglycinsäure, Ketotifen, Antihistaminika.

Aber Vorsicht: bei Salicylatintolreanz sollte auf Cromoglycinsäure und die pflanzlichen Mastzellstabilisatoren verzichtet werden.


Verstopfung

Da COVID über die ACE2 Rezeptoren am Darm in die Zellen eindringt und diesen vorübergehend "außer Betrieb" nimmt, kann es zu verstäkter Verstopfung kommen. Denn ACE2 ist auch wichtig für die Tryptophanaufnahme und damit Serotoninsynthese am Darm. Serotonin macht uns nicht nur sonst glücklich und entspannt, es sorgt auch für eine gute Darmbewegung und damit für regelmäßigen Stuhlgang. Hier genügt normalerweise eine vorübergehende symptomatische Therapie und bitte nicht vergessen: viel trinken und ausreichend Ballaststoffe essen!

Da auch eine Fructosemalabsorption in den Serotoninhaushalt eingreift, sollte diese mittels H2 Atemtest ausgeschlossen werden.


Fatigue

Sie ist wohl das schwierigste Symptom. Wichtig ist mir hier den Begriff PEM (Post exertional malaise) zu nennen - dieser beschreibt die Tatsache, dass auf "normale" Anstrengungen (z.B. Hausarbeit) eine tagelange Zustandsverschlechterung eintreten. kann.

Es ist besonders wichtig ein gutes Pacing - also einen guten Umgang mit den eigenen Energiereserven zu lernen und sich so wenig wie mögilich zu überfordern. Hilfreich kann hier auch der Einsatz einer Pulsuhr sein - wünschenswert wäre, dass der Puls nicht über 120/min geht.


Ich hoffe ich konnte ein paar Symptome besser erklären und werde versuchen die Liste noch zu verlängern.

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